Dienstag, 3. März 2020

Flaujagues – ein überraschend ausgeschlafener Ferienort

Flaujagues ist ein überraschend ausgeschlafener Ort am Ufer der Dordogne. Mit gut 600 Einwohnern, darunter Engländer, Amerikaner, Deutsche und Niederländer, ist er ein fast normales französisches Dorf. Doch Flaujagues wächst stetig gegen den Trend seit Mitte der 1970er Jahre, als es noch 418 Seelen zählte.
Copyright: kuhrhaus (3: 2 oben, 1 u.li.), Wappen: Wikipedia/Gaalad de
Nelly (CC BY 3.0), C. Delburg (u.re.)
Das nette Dorf gehört heute zum Speckgürtel von Bordeaux. Nachdem dort bezahlbarer Wohnraum knapp wurde, wohnen Studenten und Mitarbeiter der Universität, Eventmanager, Kulturschaffende und Angestellte in Flaujagues. Eine Bahnlinie in der Nähe hilft, in der Rushhour die Staus vor und in Bordeaux zu umfahren.


Fast schon exotisch: Urlaub am Nullmeridian 

Flaujagues‘ Territorium berührt den Nullmeridian. Ein Leben am Nullpunkt führen seine Weinbauern, Kellermeister, Handwerker, Dienstleister, Lehrer und Rentner nicht. Es geht ruhig zu. Zu ruhig, meinte vor zwei Jahren eine Initiativgruppe und gründete den Verein „La Flaujaguaise“ zur Auffrischung des Dorflebens. Heute zählt er über 100 Mitglieder, ich bin eins davon. Der frische Wind ist spürbar. Mehr bürgerschaftliches Engagement, mehr Selbstbewusstsein – auch gegenüber dem im Juni neu gewählten Gemeinderat und seiner neuer Bürgermeisterin.

Restaurant und Baguette-Service inklusive

So gelang es, das Restaurant in der Ortsmitte wiederzueröffnen. Das ist anderhalb Jahre her, und auch trotz Corona ist es weiterhin ratsam im „Le P’tit Flaujaguais“ zu reservieren. So gut ist seine Küche, so nett seine Macher. Seit Mitte September komplettiert eine kleine Café-Bar mit Baguette-Service die Nahversorgung. Bio-Produzenten am Ort liefern Gemüse und Obst. Örtliche Winzer dominieren mit ihren Weinen die Getränkekarte.
Flaujagues steht auf altem Nutzland. Niemand vermag zu sagen, wann und woher die ersten Siedler kamen. Ortschronisten schließen nicht aus, dass auf dem heutigen Territorium ein römisches Dorf existierte. In alten Quellen zu Flaujagues gibt es Hinweise auf eine Furt in der für Wein, Weizen und Weidevieh fruchtbaren Flussaue der Dordogne. Die Furt war weithin bekannt und gut frequentiert: von Nutztieren, Lastkarren, Pilgern - und Armeen.

Alles fließt - nicht nur die Dordogne

Ein Landschloss am Ufer der Dordogne – Château de Clos Foucaud, ein gerade stilvoll renovierter Bau aus dem 16. und 17. Jahrhundert – gehört zum Ortsbild von Flaujagues wie die Weinkooperative „Les Guinots“, zwei winzige Kirchen, eine kleine Schule mit Vorschulklasse für Drei- bis Sechsjährige und einer Grundschule für Kinder aus umliegenden Orten. Kanuten legen gern am kleinen Hafen an oder ab. Die Mehrzahl der Gebäude im Ortskern sind wie die beiden „Kuhrhäuser“ respektable Natursteinbauten.
Es gibt keine Industrie, nur ein Startup. Junge Enthusiasten züchten Blaualgen und stellen daraus ein Nahrungsergänzungsmittel (Spirulina) her. „La Spiruline de Julie“, so der Firmenname, bietet als Hit im Werksverkauf eine Schokolade mit den gesunden Mikroalgen an. Sie steht – schenkt man Facebook Glauben - bei gesundheitsbewussten Naschmäulern hoch im Kurs.

Lust an Freizeit statt Last durch Arbeit

Und die Dordogne? Sie trug Jahrtausende lang geduldig jede Last – anfangs waren Flöße, später hölzerne Lastkähne und im 19. Jahrhundert Dampfschiffe für den Warenverkehr von und nach Bordeaux zuständig. Die Eisenbahn schickte den Fluss in die wohlverdiente Rente und beendete seine Ära als Transportweg. Heute ist die Dordogne willkommener Partner für den Tourismus - zum Baden, Surfen, Angeln und Paddeln. Ihr ab Flaujagues breites, flaches und langgestrecktes Tal gilt als Eldorado unter Radfahrern.(kuhrhaus)

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