Sonntag, 6. Dezember 2020

Tour de France 2021 - Entscheidung vor der Haustür

Etappenziele Libourne und Saint Émilion sind nahe Flaujagues

Entfernung von 33350 Flaujagues nach 33500 Libourne – 26 km und nach 33330 Saint-Émilion 19 km

Die Hoffnungen sind in Südwestfrankreich groß, dass im kommenden Jahr die Tour de France pünktlich zum Sommerbeginn starten kann. Los geht es am 26. Juni in Brest, der Lorbeerkranz für den Tour-Sieger wird am 18. Juli in Paris übergeben. Dann haben die Fahrer 3383 Kilometer in den Beinen. Das letzte Viertel der Strecke führt die 108. Auflage des Profi-Radrennens durch den Südwesten – eingeschlossen ein Abstecher nach Andorra. Spannend ist: Die entscheidenden Etappen vor dem Finale in Paris werden unmittelbar vor der Haustür von Flaujagues ausgetragen.

Von den 21 Etappen führt die 19. Etappe am 16. Juli von Mourenx quer durch die flache Gascogne nach Libourne vor den Toren von Bordeaux. Auf der 203 Kilometer langen Strecke werden nach der Quälerei in den Pyrenäen Ausreißversuche erwartet. Einen Tag später steigt die Spannung weiter: Die vorletzte Etappe am 17. Juli ist ein Einzelzeitfahren über 31 Kilometer von Libourne nach Saint-Émilion. Bei der Tour 2020 wurde bei einer ähnlichen Konstellation der sicher geglaubte Toursieger noch entthront.

Darauf verweist der Generaldirektor der Tour de France, Christian Prud‘homme: Dieses Kleinod berühmter Weinberge werde die sportliche Leistung verstärken, kommentierte er die Streckenführung. „Zeitfahren am Ende der Tour haben die Angewohnheit, über die endgültige Vergabe des Gelben Trikots zu entschieden.“

20. Etappe: Fällt in Saint-Émilion die Vorentscheidung für den Tour-Sieg?

In Libourne und in Saint-Émilion sind der Jubel und die Hoffnung ungebrochen groß. Elf Jahre hatte die Tour einen Bogen um die Gironde gemacht. Libournes Stadtoberhaupt Philippe Buisson war überrascht, dass seine Stadt mit 25.000 Einwohnern das über zehn Mal größere Bordeaux ausgestochen hat. Dem hat das Tour-Management für 2022 eine Offerte in Aussicht gestellt. Alles Zukunftsmusik.

Libourne plant ein ausgelassenes Volksfest, wenn es die Rahmenbedingungen durch Corona zulassen. In Saint-Émilion, Hochburg der französischen Bordeaux-Weine, hofft Bürgermeister Bernard Lauret, dass die live-Übertragung der Wettfahrt in über 100 Länder einen wirtschaftlichen Schub auslöst. Das passierte schon einmal vor 25 Jahren: 1996 war der Ort Etappenziel. Damals ging es von Bordeaux über knapp 70 Kilometer im Kampf gegen die Uhr nach Saint-Émilion.

Die Weinbruderschaft von Saint-Émilion hat vor, das 1999 zum Welterbe erhobene Weinbaugebiet angemessen zu präsentieren. Ihr Präsident Jean-François Galhaud wird mit seiner Winzer-Gilde die Weinberge entlang der Zeitfahrstrecke über Pomerol und Montagne ins Herz der Stadt in Topzustand zeigen. Er wolle zeigen, dass „wir einfache Menschen sind, dass wir gerne lachen, dass wir einfache Dinge mögen, dass die Tour de France sehr beliebt ist und dass sie zu uns passt ... " (Text: kuhrhaus)

Der Etappenplan der 108. Tour de France

1. Etappe (26. Juni): Brest - Landerneau, 187 km
2. Etappe (27. Juni): Perros-Guirec - Mur-de-Bretagne, 182 km
3. Etappe (28. Juni): Lorient - Pontivy, 182 km
4. Etappe (29. Juni): Redon - Fougères, 152 km
5. Etappe (30. Juni): Change - Laval, 27 km (Einzelzeitfahren)
6. Etappe (1. Juli): Tours - Chateauroux, 144 km
7. Etappe (2. Juli): Vierzon - Le Creusot, 248 km
8. Etappe: (3. Juli): Oyonnax - Le Grand-Bornand, 151 km
9.
Etappe: (4. Juli): Cluses - Tignes, 145 km (Bergankunft)
10. Etappe: (6. Juli): Albertville - Valence, 186 km
11. Etappe: (7. Juli): Sorgues - Malaucene, 199 km
12. Etappe: (8. Juli): Saint-Paul-Trois-Chateaux - Nimes, 161 km
13. Etappe: (9. Juli): Nimes - Carcassonne, 220 km
14. Etappe: (10. Juli): Carcassonne - Quillan, 184 km
15. Etappe: (11. Juli): Ceret - Andorre-la-Vieille, 192 km

16. Etappe: (13. Juli): Pas de la Case - Saint-Gaudens, 169 km
17.
Etappe: (14. Juli): Muret - Col du Portet, 178 km (Bergankunft)
18. Etappe: (15. Juli): Pau - Luz-Ardiden, 130 km (Bergankunft)
19. Etappe: (16. Juli): Mourenx - Libourne, 203 km
20. Etappe: (17. Juli): Libourne - Saint-Emilion, 31 km (Einzelzeitfahren)
21. Etappe: (18. Juli): Chatou - Paris Champs-Elysees, 112 km.

 

Freitag, 4. Dezember 2020

Schokoladenmanufaktur mit der Lizenz zum Naschen

Aus Duras kommt süßer Stoff für schöne und bittere Zeiten

Von 33350 Flaujagues nach 47120 Duras: 26 km, 27 min.

Franzosen gelten als Feinschmecker, das gilt für Herzhaftes genauso wie für Süßes und erst recht für Schokolade. In Duras produziert eine Chocolaterie, also eine Schokoladenmanufaktur, der besonderen Art edle Naschereien, die nicht nur Franzosen schmecken, auch mir, Arabern in Dubai und Hongkong-Chinesen. Bis in diese Länder werden schokolierte Edelpflaumen und mit Pistazienmus gefüllte Katzenzungen und vieles mehr exportiert.

Die kleine Manufaktur (hier geht’s zur Webseite), die saisonal bis zu 50 Mitarbeiter hat, beschäftigt nach dem bunten Mix ihrer internationalen Zutaten viele Ausländer. Die 30 Produktionsmitarbeiter – zu über 80 Prozent Frauen – kommen aus sechs Ländern von drei Kontinenten, darunter eine Deutsche.

Alles begann mit den berühmten Pflaumen von Agen (pruneaux d‘Agen), eine besonders schmackhafte, mild-süße Frucht. 1946 legte der Pflaumenmakler Pierre Guinguet den Grundstein für das Familienunternehmen. An die 30 Jahre später trat sein Sohn Jean in seine Fußstapfen und lenkte die Firma in die heutigen Bahnen. 1979 kaufte er eine kleine Schokoladenfirma auf und verlegte sie kurzerhand nach Duras. 

Immer ausgefeilter, ausgefallener, verführerischer wurde das Angebot. Dunkel und weiß schokolierte Edelpflaumen, dragierte Rosinen, die in Sauternes-Wein aromatisiert wurden, Kreationen mit Pistazien, Mandeln, Haselnüssen, Ingwer-Stangen und Orangen-Scheiben. Ungewöhnliche Schokoladensorten kommen zum Einsatz: Das Schwarze Gold, das es sortenrein als Täfelchen gibt, stammt aus Vietnam, Papua-Neuguinea, Madagaskar und Ecuador.

Beim Werksverkauf war in „normalen“ Zeiten Naschen nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Covid-19 ist derzeit die Bittermandel in diesem Schlaraffenland, denn aus hygienischen Gründen ist das „wilde“ Kosten derzeit nicht möglich. Ein Firmenrundgang bietet eine
Alternative. Für fünf Euro pro Person durchlaufen Grüppchen von Leckermäulern einen Bereich mit gläsernen Trennwänden und schauen den Mitarbeitern bei echter Handarbeit zu. An jeder Station gibt es eine Kostprobe. Der Obolus ist gut angelegtes Geld: Auf das Rundgangsticket gibt es im Firmenshop zehn Prozent Rabatt.

Als 2017 der Firmenpatriarch im Alter von 78 Jahren seinen Job endlich an den Nagel hängen wollte, fehlte ein Nachfolger. Seine Firma verzeichnete zuletzt sechs Millionen Euro Jahresumsatz. So kam es zum Verkauf, der sich bisher als Glücksfall erweist. Die Firmengruppe Fabrila griff zu, spezialisiert auf Nischenprodukte aus dem Luxussegment der Nahrungsmittel. 2019 erfolgte eine für Naschkatzen wichtige Kurskorrektur: Die Schokolade erhielt die Kapitänsmütze, neuer Kurs: Paris und Export, wo arabische Emirate und Hongkong den Anfang machten. Internetbestellungen werden auch nach Deutschland geliefert. (Text/Fotos: kuhrhaus)


Dienstag, 15. September 2020

Saint Émilion – Nabel der Weinwelt liegt im Südwesten

Weinlese startet ohne Volksfest

Von Flaujagues nach Saint Émilion: 19 Kilometer, 25 Minuten

Hier geht's zur in den Fels
gehauenen Kirche; darüber
erhöht sich der gewaltige
Glockenturm.

Das südwestfranzösische Saint Émilion fällt als Hauptstadt etwas aus dem Rahmen. Hauptstädte sind oft Millionenstädte mit Wolkenkratzern, riesigen Stadien und Theatern. Damit kann der 1900-Einwohner-Ort Saint Émilion 30 Kilometer vor den Toren von Bordeaux nicht aufwarten. Sein Aushängeschild sind Weine der Superlative. Die Unesco krönte 1999 den Ort mit dem ersten Welterbetitel für ein Weinbaugebiet. Hier geht’s zum Stadtplan.

Die aktuelle Ernte läuft gerade an. 2020 muss sie wegen Corona ohne die überlieferte Zeremonie der Weinbruderschaft (Jurade) für die traditionelle Genehmigung und Segnung der Weinlese auskommen. Doch dem Wein geht es gut. Der heiße, trockene Sommer nährt erneut die Hoffnung auf einen Jahrgang großer Weine.

800 Weingüter drängen sich auf engstem Raum

Saint Émilion ist gut 1000 Jahre alt und gilt seit Langem als Hauptstadt der Bordeaux-Weine höchster Güte, die sich mit dem Siegel „Grand Cru Classé“ schmücken. Weinliebhaber weltweit schauen auf das uralte Anbaugebiet, auf dem sich heute 800 Weingüter („Chateau“) auf 7850 Hektar tummeln. Sie teilen sich die Appellationen „Saint Émilion“ und „Saint Émilion Grand Cru“.

Üblicherweise wird die Weinlese am dritten Samstag im September in einem volksfestartigen Akt von

Auf 7850 Hektar Land wächst das purpurote Gold: die Spitzenweine
von Saint Émilion.
der Jurade eröffnet. Diese Körperschaft hat ihre Wurzeln in einem aus der englischen Herrschaftszeit des Mittelalters herrührenden Stadtrat. Er durfte die Region selbst verwalten und er durfte Recht sprechen. In der Neuzeit erlebte die Jurade von Saint Émilion eine Renaissance als einflussreiches Organ von Wächtern über den Wein und seine Qualität. Die 54 Frauen und Männer in roten Roben, die ihre Vorbilder in der Amtstracht von Richtern jener fernen Anfangsjahre haben, geben traditionell mit dem Segensspruch „Bon vendange“ und einem „Halleluja“ den Startschuss zur Ernte. Danach ziehen sie im Fackelschein durch die Altstadt, bevor es Feuerwerk, Straßenmusik und Wein gab. Nur 2020 nicht.

Wenn das Kopfsteinpflaster erzählt...

Den Weinbau haben die Römer in diese fruchtbare Region Aquitaniens gebracht. Er machte sich schon im Mittelalter einen Namen und intensivierte sich mit der wachsenden Wein-Nachfrage vor allem aus England. Ein Überbleibsel dessen sei das holprige Kopfsteinpflaster in der Stadt, sagt man. Diese Brocken sollen aus zurückkehrenden leeren Wein-Schiffen stammen. Dort bildeten sie die Tariermasse in den Rümpfen der Kähne.

Namensgeber für den weinseligen Ort war ein wunder- und wohltätiger Mönch aus der Bretagne mit dem Namen Émilion. Ihn hatte es der Legende nach vor gut 1000 Jahren nach Ascumbas – so hieß Saint Émilion in jener Ära – verschlagen, wo er ansässig und bald als Heiliger verehrt wurde.

Das Kloster von Saint Émilion.
Seine vermeintliche Einsiedelei ist bei einem Besuch in der unterirdischen, monolithischen Kirche mitten in der Stadt zu besichtigen. Der ungewöhnliche Bau gehört zum Weltkulturerbe und wurde im 12. Jahrhundert aus dem Sandsteinfels geschlagen. Acht mächtige Säulen von elf Metern Höhe tragen das Kirchenschiff. Überirdisch erhebt sich auf der Kirche ein weithin sichtbarer Glockenturm. Da die privaten Betreiber – ein Ergebnis der Französischen Revolution – keine privaten Fotos zulassen, bietet Youtube einen Blick ins Innere und dazu mit einem Mitglied der Jurade. 

 

Eine Million Besucher pilgern pro Jahr zum Wein
Pilger auf dem Jakobsweg
durchqueren die Stadt.

Etwa eine Million Besucher zählt Saint Émilion jährlich. Die meisten kommen wegen des Weins, doch der Ort profitiert auch von seiner Lage auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Das Tourismusbüro bietet einen deutschsprachigen Auftritt. Das Panorama der Stadt aus weltlichen und kirchlichen Bauten ist beeindruckend und inspirierte die Macher des Videospiels „Vagrant Story“, die ihre Silhouette integrierten.

Weinliebhaber finden im „Maison du Vin“ (Haus des Weins) gleich um die Ecke beimTourismusbüro
das umfangreichste Angebot lokaler Chateaus. Angeboten werden zudem Verkostungen. Individueller geht es in den vielen Weinboutiquen in den Gassen zu. Die Restaurants am Ort bieten zwischen Bistroniveau und gehobener Sternegastronomie alle Gaumenfreuden. (Text und Fotos: kuhrhaus)