Bis an die äußerste Spitze der Landzunge: 132 Kilometer, 2 Stunden
Die Côte d’Argent – die Silberküste am Atlantik hinter Bordeaux bis weit in den Süden – schmücken manche Edelsteine. Einer der schönsten ist das alte Fischerdorf Cap Ferret. Der kleine Ort auf einer langgestreckten Landzunge oberhalb des Beckens von Arcachon ist für Tagesausflüge ein ideales Ziel. Selbst wer regelmäßig hier „anlegt“, merkt, es wird nie langweilig: Cap Ferret ist immer gleich und immer anders. Hier gibt es sie noch, die romantischen Ecken, den 60 Meter hohen Leuchtturm mit Aussichtsplattform, Geschäfte und Cafés und es gibt die urwüchsige Natur.Die raue See des Atlantiks im Golf von Biskaya arbeitet unablässig an diesem Flecken Erde, als wenn sich das Meer noch nicht über die endgültige Gestalt der Halbinsel schlüssig wäre. Die Dünenlandschaft, die erst vor 3000 Jahren entstand, schiebt sich zwischen Ozean und das malerische Becken von Arcachon. Meer und Wind halten den Sand in Bewegung – sie spülen ihn trotz Wellenbrecher an oder – wie jüngst – tragen sie ihn bis an die Uferböschungen ab. Garniert wird das neue Landschaftsdesign mit dem Treibgut aller Zeiten. Etwas Besonderes ist der Sand: Er ist durchsetzt mit feinsten Partikeln pulverisierter Perlmuttmuscheln, was den Strand in der Abendsonne silbern schimmern lässt und für den Namen Côte d’Argent sorgte. Am Ufer vis-à-vis vom Cap türmt sich aus diesem „Stoff“ Europas höchste Wanderdüne auf. Die „Dune de Pilat“ erreicht eine Höhe von bis zu 110 Meter und ist mehrere Kilometer lang.
Cap Ferret ist der perfekte Ort zum Entspannen: Seele baumeln lassen, baden, wandern am schier endlosen Strand, angeln oder Angler beobachten, surfen oder Surfern zuschauen, Muscheln und Schwemmholz sammeln – am liebsten fantasievoll verformte Weinrebstöcke – sowie schlemmen in vielen kleinen Strandrestaurationen bei frischen Austern, Meeresfrüchten und Wein.
Auf einem Strandabschnitt gen Norden finden sich viele ehemalige Bunker des alten Atlantikwalls der deutschen Wehrmacht. Meer, Wasser und Wind haben sie wie überdimensionale Bauklötze durcheinandergewürfelt. Zuletzt dienten die glatten Betonflächen Sprayern nur noch als Großprojektionsflächen. Die beiden Winter 2017/2018 und 2018/2019 versenkten das gros der Betonklötze, so dass mitunter nur noch ihre Dachflächen aus dem Ufersand ragen. Zu solchen Spaziergängen sollten immer eine paar Flaschen Wasser und eine starke Sonnenschutzcreme im Wanderrucksack sein.Das Kontrastprogramm zum urigen Atlantik ist das ruhigere Becken von Arcachon. Es ist Naherholungszentrum für die Einwohner von Bordeaux. Die Autobahn in dieses Paradies ist deshalb mautfreit. Boote bieten Rundfahrten in der 155 Quadratkilometer großen Bucht – vorbei an einer großen Vogelinsel, ein geschütztes Eldorado für Wandervögel. Die Pfahlbauten sind nur noch Kulisse, früher boten sie Fischern Obdach. Vor gut 150 Jahren nahm die Muschelzucht einen enormen Aufschwung. Austernbänke tauchen bei jeder Ebbe aus dem Nass auf, um bei Flut erneut zu verschwinden.
Der Appetit kommt bei einer Strandwanderung in würziger Salzluft von ganz allein. Eine liebevoll-chaotische Erlebnisgastronomie hat sich im nahen Ortsteil L’Herbe etabliert. Sie ist in einem urigen Uferviertel in die Holzhütten der Austernfischer eingezogen. Die Gäste sitzen auf überdachten Terrassen an rustikalen Tischen. Sie können Badegästen und Fischern zuschauen und dabei Austern und andere Meeresfrüchte bei einem Glas gut gekühlten Weißwein verzehren.
Übrigens: Der Name Cap Ferret kommt aus der gaskognischen Sprache und bedeutet „eiserne Spitze“. Diese regionale Sprache gibt es bis heute. Einer ihrer berühmtesten Sprecher war der legendäre Musketier d’Artagnan. Der reale Haudegen stammte aus der Region Gascogne in Südwestfrankreich, wo sein väterliches Mini-Schloss Castelmore bis heute existiert. (Text und Fotos: kuhrhaus)